Pressemeldung

Pressebericht: Per Funk bis fast an den Südpol (BZ)

Von Michaela Glemser in Bietigheimer Zeitung vom 18.04.2024 

 

Schüler des Lichtenstern-Gymnasiums sprechen mit Wissenschaftlern der Neumayer-Forschungsstation in der Antarktis.

Sie nahmen Funkkontakt mit der Neumayer-Station in der Antarktis auf, vorne links Initiator Herbert Ade-Thurow Foto: Martin Kalb

Geophysikerin Amelie Nüsse konnte einen der letzten sonnigen Tage in der Antarktis genießen. Die 27-jährige Wissenschaftlerin ist Mitglied des derzeit rund 50-köpfigen Teams auf der Forschungsstation „Neumayer III", welche das Alfred-Wegener-Institut des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung rund 2000 Kilometer nördlich des geografischen Südpols betreibt.
In etwa einem Monat, wenn der Polarwinter in der Antarktis beginnt, wird die Sonne an der Forschungsstation überhaupt nicht mehr aufgehen. „Wir vom Team der Überwinterer sind 13 bis 14 Monate auf der Station. Aber neben unserer Arbeit haben wir auch ausreichend Freizeitmöglichkeiten wie einen Fitness- oder Filmraum, Gesellschaftsspiele, einen Billardtisch und Tischkicker", erzählte Nüsses Kollege, der Meteorologe Pablo Conrat Fuentes, den interessiert lauschenden Schülern des Lichtenstern-Gymnasiums mit ihrem Lehrer Hans Bader.

Amateurfunker ermöglichen Kontakt
Die Chance zu diesem ungewöhnlichen Funkkontakt in die ferne Antarktis ermöglichten die Mitglieder des Ortsverbands Stromberg im Deutschen Amateur Radio Club e.V.. „Wir funken heute mit Hilfe des Satelliten Q0-100, der sich in 36 000 Kilometern Höhe ungefähr über dem Äquator in Afrika befindet", erläuterte Herbert Ade-Thurow. Der Satellit sei mit dem bekannten Astra-Satelliten für den Empfang der Fernseh- und Rundfunkprogramme vergleichbar, erklärte der Amateurfunk-Fachmann, der bereits im Vorfeld regelmäßig Kontakt mit den Wissenschaftlern in der Antarktis hatte. Dafür hatte er eigens bei der Bundesnetzagentur das Rufzeichen „DN2LSG" beantragt und zum Anpeilen des Satelliten eine Satellitenschüssel im Außenbereich der Schule aufgebaut. Die Spannung war im Klassenzimmer förmlich greifbar, als Ade-Thurow erstmals per Funk mit den Wissenschaftlern ein Gespräch aufzunehmen versuchte.

Geophysikerin beantwortete Fragen
Nach einem lauten Rauschen und Knacken in der Leitung meldete sich auch tatsächlich Geophysikerin Nüsse und beantwortete die Fragen der Neuntklässlerin Aarna Maurya zu den Auswirkungen des Klimawandels in der Antarktis. „Konkret merken wir vor Ort nicht so viele Beeinträchtigungen durch den Klimawandel. Langfristig werden die Pole natürlich durch den Klimawandel abschmelzen, die Erde wird sich stärker erhitzen und der Meeresspiegel ansteigen", erzählte Nüsse, die erstaunlich gut zu verstehen war.

Auch Sachsenheims Bürgermeister Holger Albrich war inzwischen zur Schülergruppe gestoßen und hörte interessiert zu, als Atmosphärenphysiker Tim Bösch darauf hinwies, dass die Luft in der Antarktis deutlich sauberer sei als in Deutschland, auch wenn das Atmen aufgrund der sehr trockenen Luft schwerer falle und anstrengender für die Lungen sei. „Der Körper hat zwar mehr Hunger und Durst als zuhause in Deutschland, aber an die Kälte sind wir gut gewöhnt", betonte Bösch.

Minus 50,2 Grad Celsius gemessen
Immerhin beträgt die kälteste, jemals an der Forschungsstation gemessene Temperatur minus 50,2 Grad Celsius. Wissenschaftlerin Nüsse berichtete den Schülern auch von den Sonnenstürmen in der Antarktis, deren Auswirkungen als Polarlichter am Himmel sichtbar werden und vor denen das Magnetfeld der Erde einen wirksamen Schutz bietet.
Von 8 bis 17 Uhr dauert der Arbeitsalltag der Mitarbeiter in der Forschungsstation, die bei Stürmen mit einer Geschwindigkeit von über 60 Knoten die Station oft tagelang nicht verlassen können. „Im Winter arbeiten wir die meiste Zeit in der Station. Sonst sind wir auch manchmal ein bis zwei Tage an Außenstationen unterwegs", so Bösch.
Zum Abschluss des über die lange Dauer sehr stabilen Funkkontakts zeigten sich die Schüler sehr beeindruckt. „Es war wirklich spannend, persönlich mit den Wissenschaftlern in der Antarktis sprechen zu können. Der Funkkontakt hat Spaß gemacht. Ich bin dabei auf den Geschmack gekommen und würde gerne in den Amateurfunk hineinschnuppern", betonte Aarna aus der neunten Klasse.

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